Sonntag, 22. Dezember 2019

Der Weihnachtsbaumkauf

Ich hatte es romantischer in Erinnerung. Als ich auf den Parkplatz vor dem Lidl einbiege und mich unsicher umschaue, ob ich hier auch zum Besuch des Tannenparadieses richtig bin, zweifle ich noch ein wenig. Als ich hier vor ein paar Wochen vorbeigefahren und durch den Zaun die wunderschönen Bäume bewundert habe, hatte ich es mir so schön vorgestellt: Ich werde hier hingehen. Drei Tage vor Heiligabend werde ich hier einen Baum aussuchen. Alleine. Und stolz, dies zu tun. Das Jahr war nicht immer einfach – doch warum sollte ich mich selbst mit der Abwesenheit eines Weihnachtsbaumes bestrafen? Das bin nicht ich. So stand fest, ich werde auch alleine einen Baum haben. Wie in jedem Jahr. Fast the same procedure. Und doch so anders.

Etwas zögernd betrete ich den Baummarkt. Ein paar Jungs und eine burschikose mittelalte Dame blödeln laut herum. Das Verkaufspersonal also. Sie nehmen kaum Notiz von mir. Und ich bin ihnen in diesem Moment sehr dankbar.

Ich schlendere herum. Will mir alles einmal ansehen, keinen Baum verpassen. Ich bin da sehr akribisch. Nach den ersten drei Bäumen fällt mir ein an den metallenen Bauzaun gelehnter Baum auf. Etwas lieblos steht er da in die Ecke gestellt. Ich richte ihn auf. Finde ihn sofort sehr schön. Aus dem Bauch heraus. Da ich ja trotz aller Romantik eines Weihnachtsbaumkaufes die eben erwähnte Genauigkeit nicht abstellen kann, sehe ich mir alle anderen ebenso an. Es stellt sich keinerlei Gefühl ein. Sehe, dass mein Baum heruntergesetzt ist. Nenne ihn in Gedanken schon „mein Baum“…

Nach drei Runden um den Platz – immer verbunden mit einem Blick, ob „mein Baum“ noch da ist – sehe ich einen anderen. Gelehnt an einen Sägebock ist er nahezu perfekt. Ich sehe ihn mir an und drehe ihn. Gerade gebaut, schöne Spitze, perfekte Abstände. Mein Bauch? Sagt nichts. Ich versuche herauszufinden, warum. Wieder sehe ich herüber, ob der andere noch dasteht. Im Vergleich dazu hat er nämlich durchaus seine Macken. Etwas lange Spitze, einen größeren Abstand zu den darunterliegenden Etagen, etwas angetrockneter Matsch an ein paar Ästen. Und dieser hier? Mir dämmert es. Er erinnert mich einfach zu sehr an alle vorhergehenden Bäume. Und damit bekomme ich das Gefühl, er würde mir nun, in meinem neuen Wohnzimmer, eine Welt vorspielen, die es nun nicht mehr gibt. Vielleicht zu perfekt.

Ich gehe rüber und schau mir meine erste Wahl noch einmal an. Objektiv gesehen, hat er ein paar Knackse. Aber subjektiv – ist es genau, wie es sein muss: Ein gutes Gefühl und äußerlich ein paar Macken. Ich nehme ihn. Ich finde, er passt zu mir. Gerade jetzt.


Nachsatz:

Fünf Minuten später. Sitze im Auto und denke, ich habe das Falsche getan. Einen Baum gekauft, der diese Form hat, die ich doch sonst immer vermieden habe. Einen Baum, der komischerweise im Auto kaum den vorweihnachtlichen Tannenduft verströmt. Ich bekomme Panik, gehe im Kopf Aktionen auf Facebook durch, um diesen Baum zu verschenken. Sehe mich morgen auf einem anderen Markt einen anderen Baum kaufen. Und während ich denke, streicht meine Hand fast unmerklich über die Äste, die mir fast ins Lenkrad ragen. Auf dem Weg nach Hause. Ich glaube es ist doch mein Baum. Als er auf meinem Balkon in einem Eimer mit Wasser steht, schaue ich durch die beschlagene Scheibe und muss lächeln.