Samstag, 21. August 2021

Bitte bis Dienstag.

Neulich habe ich ein paar Freunde nach einem Satz über mich gefragt. Es ging um eine kurze Beschreibung meiner Person für ein Leadership Offsite meines Jobs. Was am Beginn nur ein kleines To Do auf meiner Liste war und sich zwischen Wäsche waschen und Pasta kochen einreihte, wurde zu einer wirklich interessanten Reise. Denn wie oft denken wir so über uns selbst nach? Was uns eigentlich ausmacht? Warum wir tun was wir tun?

„Menschenbezogen und kreativ“ war einmal die Antwort meines Chefs auf diese Frage in einem Meeting. Trifft es eigentlich ganz gut. Doch wie sehr weiß man das eigentlich von sich selbst? Kennen einen die anderen besser als wir uns selbst?

Eine andere Antwort umschrieb mich in etwa so: „Neues entdecken und ein Gespür für das nur Fühlbare - Gutenberg würde sich freuen“. Würde er? Naja immerhin hätte er etwas zum Drucken, da das Schreiben mich wirklich ausmacht. Zumindest sage ich das oft von mir selbst. Und scheinbar auch befragte Freundin. Der Kern meines beruflichen Lebens ist es leider nie geworden. Das Gespür für Menschen jedoch bringe ich recht gut ein. Führt uns das Leben also in die Richtung, auf jenen Weg, auf dem wir wirklich gut aufgehoben sind? Auch wenn er vielleicht von der eigenen Vorstellung abweicht?

Als ich Freunde auf einem Urlaubstrip um diesen Satz bitte, albern wir herum. Viele finden, was mich ausmacht, ist, dass ich so fröhlich bin. Susi Sonnenschein und so. Und im Grunde stimmt das. Ich lache laut und gerne und viel. Und doch war und bin ich gerne auch mal melancholisch, denke zu viel und bin gern durchorganisiert. Auf die Frage, bis wann ich diesen Satz bräuchte, kommt prompt: bis Dienstag bitte! Auch das gehört zu mir.

Sehen also wir selbst und alle um uns herum nur jeweils eine Seite von uns? Wer versteht dann wer wir wirklich sind? Nicht einmal wie selbst? Kümmern wir uns so gut um das Äußere um uns herum, damit wir uns nicht um das Innere kümmern zu müssen? Schicke Wohnung, Instagram-taugliche Pflanzen, ein Bild aus einer Galerie. Doch uns lassen wir verkümmern?

Oder ist das jene Aufgabe, die es im Leben zu erfüllen gilt? Sich wirklich zu kennen? Ich mache mich auf den Weg, ein bisschen Zeit habe ich ja. Bis Dienstag.

Sonntag, 8. August 2021

Der Sinn des Lebens

„Gott, was sagst du den Menschen, bevor sie auf die Erde gehen?“

„Meist fragen sie mich, was denn ihre Aufgabe ist,
der Sinn dieses Lebens, das sie dort verbringen.
Ich sage jedem von ihnen, der einzige Sinn sei es, glücklich zu sein.“

„Das ist alles?!“

„Ja, das ist alles.
Natürlich gibt es ein paar Spielregeln.
Liebe auf diesem Weg deine Nächsten, wie dich selbst.
Töte nicht. Stehle nicht. Lüge nicht.
Die Sache mit dem Neid.
Du weißt schon.
Aber ja, das ist alles.
Aber glaube nicht dass es einfach sei!
Schau dir die Menschen doch mal an! Wer hat es denn erreicht?“

„Viele sind ganz schön alt“, murmelt der kleine Engel.
„Und manche haben das wohl ganz vergessen.“

Freitag, 2. April 2021

Corona-Fatique: Über das Meditieren mit Autos.

Ich vermisse Menschen. Zumindest glaube ich das. Zwar lebe ich in einer Millionenstadt und eine Autofahrt durch Wedding lässt Corona beinahe als fiktive Netflix-Parallelwelt erscheinen. Ein Krankenwagen, ein zweiter, ich mache Platz. Polizeiaufgebot vor einem Hochhaus, beim Vorbeifahren sehe ich einen Mann in Handschellen, umringt von gelassenen Berliner Polizeibeamten. Und doch: Gestresste Langeweile. Panische Traurigkeit. Null-Bock-Melancholie. Einträge aus meinem Kalender der letzten Monate. Der Versuch, die aktuelle Stimmung zu beschreiben, die einer Achterbahn aus rohen Eiern gleicht. Laune? Divers.

Ich weiß jetzt, dass ich damit vermutlich nicht alleine bin. So zeigen es zumindest Instagram-Posts, Artikel und Medienberichte der letzten Wochen. Und dennoch fühlt es sich so an, als würde etwas mit mir nicht stimmen. Ich habe sogar Urlaub, die Sonne scheint, geh doch raus! Nachdem ich dreimal ansetze, schaffe ich es auch. Dabei bin ich dennoch irgendwie müde. Bleiern. Es gibt die inzwischen vielbeschriebene Zoom-Fatique - vielleicht trifft das auch gut den Kern dieses Corona-Gefühls.

Dabei hatte das Jahr gut begonnen. Soweit man das sagen kann, in einer weltweiten Pandemie-Situation, die alle an ihre Grenzen bringt. Körperlich, emotional und seelisch. Und das ist eben nicht das Gleiche. Aber ich hatte mir einen Plan gemacht. Ich wollte meditieren lernen. Und ich habe auch damit angefangen. Nach wenigen Wochen höre ich, wie Menschen in meinem Umfeld mir das sogar in Videokonferenzen anmerken. Innere Euphorie. Doch ein stressbedingter Tinnitus flüstert mir wenige Wochen später das Gegenteil ins Ohr. Also gut: mehr Bewegung muss her. Sport-Daily um 9, Spaziergang mit Achtsamkeits-Podcast auf den Ohren um 12 und Meditation um 19 Uhr. Sagt mein Kalender. Schokolade und ein Glas Wein sagt die Realität. Gut, nun muss ich mich nicht schlecht machen, ich bewege mich wirklich mehr - meditiere allerdings weniger. Und dann kommen die Tage, an denen einfach alles diffus ist. Fühle mich zu schwer, um wirklich was zu reißen. Dabei drängen sich die Sachen, die ich doch eigentlich so gern machen wollte. Jetzt, wo ich frei habe. Mehr Zeit. Keine Ausreden.

In der Meditationsanleitung hieß es, man solle die Gedanken kommen lassen. Und auch gehen lassen: Stell dir vor, du sitzt an der Straße. Es fahren Autos vorbei. Doch statt auf jedes Auto zu zu rennen und zu versuchen, den Verkehr zu regeln, setze dich einfach an den Rand und schaue nur zu. Lass sie vorbeifahren. Sie sind gerade nicht wichtig. Die Vorstellung beruhigt mich und ich habe dazu ein klares Bild im Kopf. Und doch fühlt es sich manchmal so an, als säße man mitten auf dieser Straße. Laut, unaufhörlich, irgendwie überfahren.

In meinem Kalender blättere ich zurück an die guten Tage. Spaziergang, Videokonferenz, Überraschungsbesuch vor der Tür. Ich weiß nicht, ob es einfach eine Art Corona-Laune ist, für die sie später noch ein tolles Wort erfinden werden, was dann feierlich in den Duden aufgenommen wird, wenn wir uns kopfschüttelnd zurückerinnern, wie diese Pandemie-Zeiten waren. Wir werden lächeln, ja vielleicht uns selbst belächeln, weil wir schon gar nicht mehr verstehen können, warum es uns so – nicht schlecht, nicht gut – aber irgendwie komisch ging. Diffus. Zu finden unter Ahumanopenie, Mangelerscheinung.