Und neulich am Telefon sprachen wir über den Krieg. Zwei Freundinnen, Mitte Dreißig, Single, eigene Wohnung, guter Job. Ich dachte nicht, dass ich das mal erleben würde. Krieg, Flucht - das war präsent im Alltag, man denke nur an die Flüchtlingskrise. Aber in meinem Kopf war ich immer die, die sie willkommen hieß. Oder die, die im Geschichtsbuch oder im Tagebuch der Großeltern ihre Geschichten erfuhr. Doch heute sitze ich hier und frage mich, wann ich eigentlich entscheiden würde, das Land zu verlassen. Wie würde das gehen? Ins Auto setzen und losfahren? Wohin? Mit so vielen Dingen wie reingeht oder nur dem Gepäck wie für den nächsten Urlaub? Würde ich wirklich alles hier hinter mir lassen? Womit das bezahlen? Und wo dann leben? Wie geht das - dieses "von vorne anfangen"? Oder würde ich bleiben - immer in der Hoffnung "so schlimm wird es ja nicht"? Unwahrscheinlich ist das nicht, hatte ich doch auch an die Diplomatie geglaubt, die einen Krieg in Europa verhindern würde. An die Menschen geglaubt nicht absichtlich ins Jahr 1941 zurückkehren zu wollen. Und doch sitze ich nun vor dem Fernseher und kann den Blick nicht abwenden. Ich sitze hier in meinem Wohnzimmer und sehe live einem Krieg zu, der - wenn das alles entgleist - auch bald mein Krieg sein könnte. Der mich dazu zwingt, auf eben diesem Sofa zu entscheiden, selbst flüchten zu müssen. Ich vermag es mir nicht vorzustellen und doch ist es so nah dran. Ich gehe dennoch sehr dankbar ins Bett und hoffe.
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Ich bin es leid. Ich bin es leid, mich entscheiden zu müssen, ob ich meine Freunde sehe oder meine Familie gefährde. Ich bin es leid, einen ...
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